„Ich habe kein Talent zum Hassen“ Eva Menasse im Gespräch mit dem Schriftsteller Robert Schindel

D / A 2019 (38 Min.)
  • Kunst & Kultur
  • Talk
Robert Schindel – Bild: ZDF und Thomas Gutberlet.
Robert Schindel

Bekannte Schriftsteller gestalten ein Fernsehprojekt: Die Mainzer Stadtschreiberin Eva Menasse trifft für ihren ZDF-Film den großen österreichischen Schriftsteller Robert Schindel. Eva Menasse kennt Robert Schindel, der ein Freund ihrer Familie ist, von Jugend an. Das ist die Basis für ein intensives Gespräch über gemeinsame und unterschiedliche Erfahrungen mit jüdischer Herkunft, kollektivem Gedächtnis, Politik und literarischer Betrachtung. „Ich habe kein Talent zum Hassen, aber verachten kann ich schon“, sagt Robert Schindel und erzählt aus seinem politischen und künstlerischen Leben in Österreich zwischen 1944 und heute.

Im Gespräch mit Eva Menasse im Spätsommer 2019 in Wien entfalten die beiden auch unerwartete Perspektiven auf Europa im 20. Jahrhundert und auf aktuelle Entwicklungen in Österreich. Was für ein Leben: Robert Schindels Eltern kämpfen als jüdische Kommunisten gegen die Nationalsozialisten. Ihr Sohn, in den späten 1960er-Jahren Anführer der Wiener Studentenproteste, wird später zum bedeutenden, preisgekrönten Lyriker und undogmatischen Beobachter seiner Heimat.

Robert Schindel wird nicht müde, Antisemitismus und Rassismus in der Gesellschaft zu benennen – aber seine Sprache, ob in seinen Gedichten, Essays oder Romanen, ist stets poetisch, nie programmatisch. Er ist ein politisch wacher Dichter, aber kein politischer Dichter. Die preisgekrönte Schriftstellerin Eva Menasse, 1970 in Wien geboren, lebt in Berlin und 2019 auch immer wieder als Stadtschreiberin in Mainz. Zu dieser Ehrung von ZDF, 3sat und der Stadt Mainz gehört eine Dokumentation nach freier Themenwahl – Eva Menasse hat sich für das klassische Genre eines Fernsehgesprächs entschieden.

Nach ihrem Studium der Germanistik und Geschichte an der Universität Wien arbeitet Eva Menasse zunächst als Journalistin unter anderem bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. 2005 gelingt ihr mit dem österreichisch-jüdischen Familienepos „Vienna“ ein fulminantes Debüt als Schriftstellerin. Als große Menschenerzählerin, die mit feiner Empathie und scharfsinnigem Humor über fragile Beziehungen schreibe, sei sie ein Glücksfall für das Amt der Mainzer Stadtschreiberin, so die Jury.

Denn sie mische sich zugleich öffentlich ein, streite wirkungsvoll für Grundrechte im digitalen Zeitalter und wende sich engagiert gegen Diskriminierung und rechte Hetze. Auch in ihrem Debüt als Fernsehautorin schwingt ihr Blick auf diese großen Themen unserer Zeit immer mit. Der heute 75 Jahre alte Robert Schindel entgeht als kleines Kind nur knapp der Ermordung durch die Nationalsozialisten.

Sein Vater wird kurz vor Kriegsende in Dachau erschossen. Als Halbwaise wird Schindel von seiner Mutter, einer Auschwitz-Überlebenden, im Geist der kommunistischen Partei erzogen. In den frühen 1970er-Jahren schließt er sich erst der Studentenbewegung an, dann der maoistischen Linken. Schindel befreit sich von allen Dogmen durch begeisterte Lektüre der Weltliteratur ebenso wie durch die relativ späte Beschäftigung mit seiner jüdischen Herkunft, die er schließlich als kulturelles Erbe, wenn schon nicht als religiöses Bekenntnis annehmen kann.

Es ist ein Lebensweg, der beispielhaft ist für viele seiner Altersgenossen. Zugleich ist es ein einzigartiger Weg, denn aus seinen Wandlungen und Brüchen hat Robert Schindel starke, sinnliche Literatur gemacht, ist zu einem der bedeutendsten deutschsprachigen Lyriker geworden, der, wie Marcel Reich-Ranicki einmal schrieb, „sich ganz ungeniert an die Tradition“ halte. Als Prosa-Autor hat er in seinem Erfolgsroman „Gebürtig“, der auch verfilmt wurde, beispielhaft für ganz Europa jenes Wien porträtiert, in dem die Nachkommen von Opfern und Tätern sich krampfhaft gegenseitig jene Normalität vorspielen müssen, die ein halbwegs friedliches Zusammenleben wohl erfordert.

In der Fortsetzung, „Der Kalte“, beschreibt er die Zeit und die Gesellschaft, in der Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten gewählt werden konnte. So wie Waldheim über seine Verstrickung in den Nationalsozialismus log und täuschte, hätte es das ganze Land gern gemacht; mit Waldheims Wahl aber flog die verdrängte Geschichte von Tätern wie Nachkommen auf. (Text: ZDF)

Deutsche TV-Premiere17.11.20193sat

Streaming & Mediatheken

Sendetermine

Mo 25.11.2019
00:40–01:10
00:40–
So 17.11.2019
12:20–13:00
12:20–

Reviews & Kommentare

    Erinnerungs-Service per E-Mail

    TV Wunschliste informiert dich kostenlos, wenn "Ich habe kein Talent zum Hassen" online als Stream verfügbar ist oder im Fernsehen läuft.