Prosit, „Pippi Langstrumpf“

Vor 40 Jahren erscheint der Kult-Rotschopf erstmals im deutschen Fernsehen – von Boris Klemkow

Boris Klemkow – 31.10.2011, 12:24 Uhr

Herr Nilsson und Pippi lassen es sich mit einem Festmahl gut gehen
Wie Astrid Lindgrens Romane sind auch Hellboms Filme und die Serie auf ein kindliches Publikums zugeschnitten. Die Welt, in der die Kinder leben, ist bunt und sonnendurchflutet. Die Erwachsenen sind freundlich oder werden nicht ernst genommen, ebenso wie die Institutionen Schule und Polizei. Anarchie ist Programm – Pippi tut Dinge, die man eigentlich nicht tut. Sie bricht Tabus, die für sie keine Bedeutung haben und führt gesellschaftliche Zwänge ad absurdum. Pippis Reichtum hat für sie nur insofern eine Bedeutung, dass sie sich Unmengen von Süßigkeiten kaufen kann. Habsucht und Materialismus sind ihr fremd. Obwohl sie unentwegt tut, wonach ihr der Sinn steht, fügt sie niemandem Schaden zu, sondern bereichert durch ihre Lebensfreude ihre Umwelt. Sie fliegt mit einem Heißluftballon und selbsterfundenen Gerätschaften, fährt mit einem Piratenschiff oder reitet auf Kleiner Onkel umher. Sie ist nicht ortsgebunden und fühlt sich doch überall zuhause. Als ihr Vater sie allerdings abholt, um sie in sein neues Königreich mitzunehmen, bleibt sie bei ihren Freunden.

Pippi, deren voller Name Pippilotta Viktualia Rollgardina Schokominza Efraimstochter Langstrumpf lautet, ist später noch die Hauptfigur in einigen weniger gelungen Filmen und in einer von Lindgrens noch vor ihrem Tod autorisierten kanadischen Zeichentrickserie. Doch Hellboms Verfilmungen und seine großartige Hauptdarstellerin Inger Nilsson sorgten maßgeblich dafür, dass „Pippi Langstrumpf“ ein Musterbeispiel für fantasievolles und qualitativ hochwertiges Kinderfernsehen ist. Auch wenn die sogenannte ernsthafte Filmkritik und die üblichen Verdächtigen unter den Konservativen sich zur Zeit der Uraufführung als Spielverderber und Moralwächter aufspielten, konnten ihre Unkenrufe und ihr mangelndes Verständnis nicht den Siegeszug der von Astrid Lindgren im Winter 1941 erdachten Romanheldin stoppen. Mehr als vier Jahrzehnte später ist Pippi Langstrumpf längst ein Kulturgut geworden und hat selbst, wenn man sie nicht unbedingt als Ikone der Emanzipation oder des Punk vereinnahmt wissen will, doch in den Köpfen vieler heutiger Erwachsener einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Die Erkennungsmelodie „Hej, Pippi Langstrumpf“, eine deutsch-schwedische Koproduktion des Jazzmusikers Jan Johansson und des Filmkomponisten Konrad Elfers, animiert auch heute noch zum Mitsummen oder -pfeifen, selbst wenn man den etwas holprig zusammengeschusterten Text nicht mehr so recht zusammenbekommt. Und dann sieht man auch wieder die kleine Inger Nilsson mit ihren Zöpfen und den unzähligen Sommersprossen vor sich. Prosit, „Pippi Langstrumpf“!

Boris Klemkow /​ wunschliste.de
Alle Bilder: © ZDF/​ Taurus

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