The Code – Review
Australischer Verschwörungsthriller bei arte – von Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 16.02.2015, 12:00 Uhr
„The Code“ ist eine weitere Variation des Genres Verschwörungsthriller – diesmal auf Australisch. Das Unfallvideo ruft den Journalisten Ned Banks (Dan Spielman) im fernen Canberra auf den Plan, der beim Online-Magazin Password auf eine große Story wartet, mit der er sich endlich aus dem Einerlei der Klatschmeldungen und Klickstrecken herausarbeiten könnte. Ihm kommt zugute, dass sein autistischer Bruder Jesse (Ashley Zukerman) ein brillanter Computerhacker ist, was diesem allerdings eine Verurteilung zu Internet-Abstinenz eingebracht hat. Jesse setzt sich jedoch über seine Auflagen hinweg und findet heraus, dass der Truck auf das Biotech-Unternehmen Physanto registriert ist. Das scheint aber nicht als einziges seine Finger im Spiel zu haben …
Wie bei großangelegten Verschwörungsgeschichten üblich, gibt es neben der Haupt- noch diverse Nebenhandlungen. Da sind zum einen die regelmäßigen Szenenwechsel ins Outback, wo in der kleinen Gemeinde Lindara die Lehrerin der Teenager, Alex Wisham (Genre-Fanliebling Lucy Lawless aus „Xena“ und „Battlestar Galactica“), ihre eigenen Ermittlungen anstellt. Diese Sequenzen sorgen immer wieder für einen interessanten Kontrast zu der Handlung in der australischen Hauptstadt – optisch wie atmosphärisch. Wo in Canberra kühle Großstadtarchitektur und westlicher Lebensstil dominieren, stößt das Auge im Outback auf fast endlose Weiten, fast nichts als rotbraunen Boden und strahlend blauen Himmel. Als Weiße stellt die Lehrerin hier die Außenseiterin dar. Dass man ausgerechnet diese Rolle mit der international bekanntesten Schauspielerin besetzt hat, war ein cleverer Zug. Und einen Einblick in das Leben von Aborigines bekommt man in Fernsehserien auch eher selten (anders als im Kino, wo sich von Peter Weirs „Die letzte Flut“ bis zu der Musikkomödie „The Sapphires“ schon viele Filme dieser ethnischen Minderheit gewidmet haben).
Ähnlich wie in manch anderem Verschwörungsdrama ist bald völlig unklar, wer in Wahrheit auf welcher Seite steht – Behörden, Geheimdienste und Physanto-Mitarbeiter arbeiten mal mit-, mal gegeneinander. Besonders undurchsichtig wirkt Hani Parande (Adele Perovic), eine weitere Hackerin, die bald auffällig starke Sympathien für den sozial recht unzulänglichen Jesse zeigt (oder vortäuscht?). Sie musste als Kind mit ihren Eltern den Iran verlassen und auch die tragen noch ein eigenes dunkles Geheimnis mit sich herum.
Die allumfassende Vernetzung und alles durchdringende Überwachung in den westlichen Gesellschaften der Gegenwart sollen einige häufig eingesetzte Stilmittel verdeutlichen: So werden die normalen Bilder immer wieder von Überwachungskamera-Aufnahmen durchbrochen, sei es auf öffentlichen Plätzen, in Geschäften oder in Polizeiwagen. Die Botschaft ist klar: Vor dem Staatsapparat ist auch in formal rechtsstaatlichen Ländern heute kein Bürger mehr sicher, mit der entsprechenden technischen Expertise kann der jede Bewegung mitverfolgen. Etwas übertrieben eingesetzt werden Visualisierungen der virtuellen Schritte, die Jesse per Internet in Datenbanken oder Firmennetzwerken unternimmt. Diese werden scheinbar dreidimensional in die realen Orte eingeblendet. Auch sonst bemüht sich die Inszenierung von Shawn Seet des Öfteren, optische Akzente zu setzen, etwa mit Zeitrafferaufnahmen von Gebäuden oder Landschaften. Das ist mal mehr, mal weniger gelungen.
Obwohl die Story von Serienschöpferin Shelley Birse insgesamt durchaus zu packen weiß, wozu auch die durchweg überzeugenden Schauspieler beitragen, hat sie doch einen großen Schwachpunkt: die Übersichtlichkeit. Gute Verschwörungsgeschichten zeichnet im Grunde aus, dass sie immer nachvollziehbar bleiben und auch nach der Auflösung noch in sich logisch wirken. Mustergültig vorgemacht haben das etwa die Dänen bei „Kommissarin Lund“ oder auch die flämische Thrillerserie „Salamander“. Bei „The Code“ droht der rote Faden hingegen häufig, völlig verloren zu gehen und als Zuschauer verliert man am Ende doch teilweise den Überblick, wer nun eigentlich für was verantwortlich war und welches Ziel er damit verfolgte. Das leistet dem Unterhaltungswert zwar keinen größeren Abbruch, verhindert aber doch, dass aus einer sehenswerten Serie eine hervorragende wird.
Dieser Text basiert auf Sichtung der kompletten Miniserie.
Meine Wertung: 3,5/5
Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: ABC/Playmaker Media
Über den Autor
Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.
Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing