Verbrannte Sterne

In der internationalen Gourmet-Welt ist sie eine Legende: die „Traube Tonbach“ in Baiersbronn. Seit Jahrzehnten gilt ihr Restaurant „Schwarzwaldstube“ als beste Feinschmeckeradresse Deutschlands. Doch im Januar 2020 geschieht das Unfassbare: ein verheerender Brand vernichtet das über 230 Jahre alte Gebäude und Stammhaus der Eigentümerfamilie Finkbeiner. In dem Traditionshaus befanden sich drei Restaurants, die mit insgesamt vier Michelin-Sternen ausgezeichnet waren. Eines davon: Die legendäre Schwarzwaldstube. Die Hoteliersfamilie beschloß den Wiederaufbau und kämpfte für ein Comeback der Sterneküche – mitten in der Pandemie. (Text: SWR)

Die Idee war kühn: ein Provisorium aus Schiffs-Containern auf dem Parkhausdach? Die Familie Finkbeiner wollte dieses Projekt realisieren, es sollte auch ein neues Stammhaus gebaut werden. Krisenbewältigung, schnelle Entscheidungen, Macherqualitäten, alles wurde im Familienrat diskutiert. Das neue Stammhaus soll die Zukunft der achten Generation sein – von Matthias und Sebastian Finkbeiner. Sie sollen künftig die „Traube“ leiten. Doch ihre Vorstellungen deckten sich nicht mit denen ihrer Eltern. Als die neuen Küchen für die Übergangslösung geliefert wurden, schien es, als könnte die Familie nichts mehr bremsen. Die Köche jubelten. Die Finkbeiners arbeiteten akribisch an ihrem Hygienekonzept, nähten Masken für Gäste und Mitarbeitende. Doch die Covid-Pandemie schlug erneut zu. Durch steigende Inzidenzen verzögerte sich die Eröffnung. Würden die Gäste ins „Temporaire“ kommen? (Text: SWR)

Pfingsten 2020. Der Container-Bau des „Temporaire“ öffnetemit zwei Gourmet-Restaurants: „Schwarzwald-„ und „Köhlerstube“. Hoffnung keimte auf. Die Gäste kamen und die Köche – Torsten Michel und Florian Stolte – zauberten auch im Schiffs-Container fantastische Gerichte. Der Bau des Stammhauses wurde hauptsächlich von den beiden Söhnen, Sebastian und Matthias, betreut. Renate Finkbeiner ist jedoch eine erfahrene Bauherrin. Im Frühjahr 2022 sollte das Stammhaus wieder eröffnen. Jedoch kam ein neuer Schlag: Im November ging Deutschland erneut in den Lockdown. Die Finkbeiners mussten Kurzarbeit anmelden. Ihre 350 Mitarbeitenden sollten gehalten werden – um jeden Preis. Sie sind schließlich die Säulen des Unternehmens. 2020 entwickelten die Finkbeiners die Sterneküche frei Haus – in Gourmet-Boxen belieferten sie Stammgäste mit ihren Menüs. (Text: SWR)

Nach sieben Monaten Lockdown durften Pfingsten 2021 Hotellerie und Gastronomie wieder öffnen. Voraussetzung: Impfausweis und strenges Einhalten der Coronaregeln. Doch die Pandemie hatte im Gastrogewerbe den Fachkräftemangel erhöht. Überall fehlte es an Personal. Mit Radio-Spots und Image-Filmen wollte Antonia Huppertz, die Schwester von Matthias und Sebastian Finkbeiner, den Gastronachwuchs in den Schwarzwald locken. Die Vorbereitungen für den Neustart im Stammhaus liefen auf Hochtouren. Matthias und Sebastian Finkbeiner wollten das Konzept der „Traube“ verjüngen. Sie diskutierten neue Gastrokonzepte, die vor allem Florian Stoltes Küche betreffen. Dieser Neustart könnte auch ein Wechsel in den Zuständigkeiten werden. Würde die Familie den Generationenwechsel hinbekommen? Im Sommer 2021 gab es dann endlich Grund zum Feiern: das Richtfest des Stammhauses fand statt. (Text: SWR)

Anfang März 2022 stand der Umzug der Restaurants vom „Temporaire“ ins Stammhaus an. Ein letztes Mal kochen Torsten Michel und Florian Stolte in ihren Küchen-Containern. „Es war unsere Rettung!“, sagt Renate Finkbeiner. Doch nun wurde es Zeit, aus dem Provisorium auszuziehen. Kochen hier war anstrengend. Die Kücheneinrichtungen sollen ins neue Stammhaus. Wie wird das neue Haus bei den Gästen ankommen? Noch am Tag der Eröffnung waren in den Küchen die Handwerker:innen zugange. Die Familie stand unter Druck. Es war eine leise Eröffnung, bei der noch viel improvisiert wurde. Die Gäste sollten das nicht spüren, sie sollten beste Gourmet-Küche serviert bekommen. Zweieinhalb Jahre Krisenmodus sollten ein Ende haben: Kommen die Auszeichnungen, Bewertungen und vor allem die Michelin-Sterne zurück? (Text: SWR)